Verschärfung des Sexualstrafrechts – sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung


Am 10.11.2016 ist das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung in Kraft getreten. Dieses bringt eine deutliche Veränderung und Verschärfung der Sexualstraftatbestände und des Sexualstrafrechts mit sich – insbesondere im Hinblick auf den Tatvorwurf der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung.

In der zentralen Norm des Sexualstrafrechts wurde in der bisherigen Fassung des § 177 StGB gefordert, dass der Täter das Opfer mit Gewalt, Gewaltandrohung oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen nötigt.

Nach der Reform des Sexualstrafrechts soll es nunmehr gem. § 177 StGB (Sexueller Übergriff, Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) ausreichen, wenn der Täter sich über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt und somit dessen sexuelle Selbstbestimmung verletzt (§ 177 Abs. 1 StGB); eine Überwindung des entgegenstehenden Willens mittels Drohung oder Gewalt ist nun nicht mehr erforderlich.

Damit wird eine bisher existente Strafbarkeitslücke für die Fälle geschlossen, in denen das Opfer außerstande ist, sich physisch gegen den Täter zur Wehr zu setzen, gleichzeitig jedoch nicht widerstandsunfähig ist, beispielsweise wenn das Opfer aus Angst keinen Widerstand leistet. Das Opfer muss deutlich machen, dass es die Vornahme bzw. Handlung der sexuellen Handlungen nicht will. Dies kann durch ein „Nein“ erfolgen, aber auch durch konkludente (d.h. schlüssige) Handlungen des Opfers, z.B. Weinen, genügen, um den entgegenstehenden Willen erkennbar zu machen, wenn aus der Sicht eines objektiven Dritten die Abneigung des Opfers zum Ausdruck kommt.

Ist ein solch entgegenstehender Wille nach der Neufassung des § 177 Abs. 1 StGB nicht erkennbar, so kann sich der Täter dennoch gem. § 177 Abs. 2 StGB strafbar machen, wenn er sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder er die Person zur Vornahme bzw. Duldung solcher Handlungen bestimmt und dabei z.B. ausnutzt, dass das Opfer nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.

Unter § 177 Abs. 2 StGB fällt des Weiteren die Ausnutzung der erheblichen Einschränkung der Bildung oder Äußerung des Willens aufgrund des körperlichen oder psychischen Zustandes des Opfers. Dasselbe gilt, wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, dem Opfer bei Widerstand (objektiv) ein empfindliches Übel droht (wobei dieses nicht ausdrücklich angedroht werden muss) oder der Täter das Opfer zu den sexuellen Handlungen durch Drohung oder mit einem empfindlichen Übel genötigt hat. Bei den von § 177 Abs. 2 StGB umfassten Fällen handelt es sich um Konstellationen, in denen dem Opfer das Erklären eines entgegenstehenden Willens entweder nicht zumutbar ist, so dass selbst eine geäußerte Zustimmung nicht tragfähig wäre, oder ihm das Erklären eines entgegenstehenden Willens objektiv nicht möglich ist (BT-Drs. 18/9097, S. 24). Neben der skizzierten Veränderung des § 177 StGB wurden auch gänzlich neue Vorschriften eingeführt, um den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu verstärken, namentlich die §§ 184i sowie 184j StGB.

Gem. § 184i StGB macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, sofern die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Erforderlich ist ein körperlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer, verbale Einwirkungen reichen dagegen nicht aus. Die körperliche Berührung ist sexuell bestimmt, wenn sie sexuell motiviert ist, was i.d.R. dann vorliegt, wenn der Täter das Opfer an den Geschlechtsorganen berührt oder Handlungen vornimmt, die typischerweise eine sexuelle Intimität zwischen den Beteiligten voraussetzen, z.B. Küssen des Mundes oder des Halses, „Begraschen“ des Gesäßes (BT-Drs. 18/9097, S. 31). Das Opfer muss dadurch in seinem Empfinden nicht unerheblich beeinträchtigt sein.

Eine Strafbarkeit gem. § 184j StGB kommt in Betracht, wenn eine Straftat dadurch gefördert wird, dass der Täter sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i StGB begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Eine solche Personengruppe muss aus mindestens drei Personen bestehen. Unter einem Bedrängen ist die Hinderung der Ausübung der Bewegungsfreiheit oder sonstigen Willensbetätigung zu verstehen, die von einer gewissen „Hartnäckigkeit“ geprägt sein muss. Der Täter fördert die Straftat, wenn er sich an der Gruppe beteiligt und die Begehung von Straftaten zumindest billigend in Kauf nimmt. Ein Beteiligter der Gruppe muss eine Tat nach den §§ 177 oder 184i StGB tatsächlich begangen haben, der Vorsatz der anderen Beteiligten muss sich hierauf jedoch nicht beziehen (BT-Drs. 18/9097, S. 32).

Welche Auswirkungen diese Reform für die Praxis mit sich bringt, bleibt abzuwarten; allerdings wird vielfach davon ausgegangen, dass die Verschärfungen jedenfalls zu einem Vielfachen an Anzeigen und Ermittlungsverfahren führen wird.

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