Steuerhinterziehung und Steuerstrafrecht
Die Verbindung von Steuerrecht und Strafrecht formt die Materie des Steuerstrafrechts zu einem sehr komplexen und vielgestaltigen Themengebiet, auf dem Rechtsanwalt Patrick Schmidt als Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht Nürnberg und Umgebung seit Jahren erfolgreich verteidigt und berät. Die zentrale Vorschrift des Vorwurfs der Steuerhinterziehung ist § 370 AO (Abgabenordnung).
Steuerhinterziehung gem. § 370 AO
§ 370 AO soll den Steueranspruch des Staates schützen. Steuerhinterziehung ist hiernach in drei Varianten denkbar:
a) Der Täter macht gegenüber den (Finanz-)Behörden unrichtige bzw. unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen: Unter steuerlich erhebliche Tatsachen fallen alle Umstände, denen irgendeine steuerliche Bedeutung zukommt. Unrichtig sind diese Angaben, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, unvollständig sind oder wenn nur ein Teil der steuerlich erheblichen Tatsachen angegeben wird. Diese Angaben macht der Täter, indem er sie den Behörden schriftlich, mündlich oder auch konkludent (also durch schlüssiges Verhalten) mitteilt. Wer Finanzbehörde ist, wird in § 6 II AO geregelt (z.B. das Bundesministerium der Finanzen). Andere Behörden sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 6 I AO).
b) Der Täter lässt die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis: Hierfür ist erforderlich, dass der Täter eine Erklärungspflicht seinerseits verletzt, die sich aus Vorschriften der AO oder sonstigen Gesetzen ergibt, z.B. die Pflicht zur Abgabe von Einkommenssteuererklärungen gem. § 25 EStG. Diese Variante stellt also nicht auf eine Handlung des Täters, sondern ein Unterlassen ab, er ist einer gesetzlichen Pflicht, bestimmte Steuererklärungen abzugeben, ja gerade nicht nachgekommen. Das Unterlassen muss auch pflichtwidrig sein, daran fehlt es z.B., wenn die Finanzbehörde selbst einen Fehler macht und der Steuerpflichtige diesen lediglich ausnutzt. Es besteht keine Pflicht die Behörde auf ihren Fehler hinzuweisen!
c) Der Täter unterlässt pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern: Diese Variante erlangt heute hauptsächlich nur noch i.V.m. der Tabaksteuer Bedeutung, die durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten ist.
Durch eine dieser Tatvarianten müssen entweder Steuern verkürzt oder Steuervorteile erlangt worden sein. Steuern sind Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine bestimmte Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichem Gemeinwesen jedem auferlegt werden, bei dem der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 3 I AO). Verkürzt sind Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 IV AO). Wann der Taterfolg (also die Steuerverkürzung) eintritt, hängt davon ab, ob es sich um Veranlagungssteuern, also z.B. Einkommenssteuern, handelt (dann Steuerfestsetzung mit Bekanntgabe des Steuerbescheids) oder um Anmeldungssteuern, die der Steuerpflichtige selbst berechnen muss (dann Steuerfestsetzung i.d.R. mit Eingang der Anmeldung bei der Behörde). Wird hingegen überhaupt keine Anmeldung eingereicht, tritt Verkürzung mit Ablauf des Fälligkeitstermins ein. Was genau unter einem Steuervorteil zu verstehen ist, ist umstritten. In der Rechtsprechung wird er als Vorteil spezifisch steuerlicher Art definiert, der den Steueranspruch des Staates hinreichend gefährdet. Der Täter muss diesen Vorteil erlangt haben. Das ist der Fall, wenn er ungerechtfertigt gewährt oder belassen wird (§ 370 IV). Der Täter darf also keinen Anspruch darauf haben. Den Vorteil kann der Täter auch für einen anderen erlangen. Aus Tätersicht muss Vorsatz bzgl. der Steuerhinterziehung vorliegen, handelt der Täter bloß leichtfertig (also grob fahrlässig), so liegt nur eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann, § 378 AO.
Ein Verstoß gegen § 370 I AO wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, der Versuch ist gem. § 370 II strafbar. Die Tat kann zudem auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Ein-, Aus- oder Durchfuhr verboten ist, § 370 V AO.
Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung § 370 III AO
In § 370 III AO werden Regelbeispiele aufgezählt, die einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach Absatz 1 nahelegen. Das Strafmaß beträgt dann Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Das Gericht ist nicht daran gebunden, einen besonders schweren Fall anzunehmen, sobald ein Regelbeispiel erfüllt ist, wenn es der Meinung ist, dass im konkreten Fall keine erhebliche Erhöhung des Unrechtsgehalts gegeben ist. Diese Regelbeispiele sind:
a) Der Täter verkürzt Steuern bzw. erlangt Steuervorteile in großem Ausmaß. Der Grenzwert beträgt hier 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro, wenn der Täter Steuererhöhungsbeträge nicht (richtig) erklärt.
b) Der Täter missbraucht seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Amtsträger auf den Beamten einwirkt, dem die Entscheidung obliegt.
c) Der Täter nutzt die Mithilfe eines Amtsträgers aus, der seine Befugnisse bzw. seine Stellung missbraucht. Dieses Beispiel ist i.d.R. erfüllt, wenn der Täter einen Amtsträger als Gehilfen/Mittäter benutzt. Der Amtsträger muss jedoch von seiner eigenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Kenntnis haben, die Unrichtigkeit der Erklärung also erkennen.
d) Der Täter verwendet nachgemachte oder verfälschte Belege zur fortgesetzten Verkürzung von Steuern bzw. Erlangung von Steuervorteilen. Unter Belege fallen Buchungsbelege und alle Unterlagen, die für die Besteuerung relevant sind (§ 147 I AO). Nachgemacht sind Belege, die zugleich eine unechte Urkunde gem. § 267 I Var. 1 StGB darstellen, also den Anschein erwecken, als seien sie von demjenigen erstellt worden, der als Aussteller der Urkunde hervorgeht, tatsächlich wurden sie aber von einer anderen Person angefertigt. Verfälscht sind sie, wenn nachträglich die Beweisrichtung geändert wurde (entspricht § 267 I Var. 2 StGB). Zur fortgesetzten Verwendung gebraucht der Täter die Belege, wenn er damit bereits mindestens zwei Steuerhinterziehungen begangen hat.
e) Der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt bzw. Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt. Für eine Bande werden mindestens drei Personen benötigt. Haben sie sich zur fortgesetzten Begehung verbunden, so genügt bereits die Begehung einer Tat.
Selbstanzeige gem. § 371 AO
Der Steuerpflichtige erlangt durch eine Selbstanzeige nach § 371 AO Straffreiheit, wenn er zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre, in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Die Anzeige ist bei einer in § 6 II AO genannten Finanzbehörde zu erstatten, einer besonderen Form bedarf es nicht. Auf die Motive des Anzeigenerstatters kommt es nicht an, selbst wenn er sich nur anzeigt, weil Tatentdeckung droht, greift § 371 AO. Sollten die Angaben in der Selbstanzeige nur geringfügig hinter den zutreffenden Beträgen zurückbleiben, so genügt grds. auch eine Teilselbstanzeige. Die Maximalabweichung soll hier fünf Prozent betragen. Für die Beantwortung der Frage, was unter einer „Steuerart“ zu verstehen ist, ist darauf abzustellen, ob verschiedene Steuergesetze vorliegen oder nicht. Jedoch erlangt der Anzeigenerstatter nicht in jedem Fall Straffreiheit. Gem. § 371 II AO bleibt diesem die Straffreiheit verwehrt, wenn:
a) dem Beteiligten oder dessen Vertreter vor Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist (z.B. eine Lohnsteuerprüfung),
b) dem Beteiligten oder dessen Vertreter vor Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist (ein Verfahren gilt dann als eingeleitet, wenn seitens der zuständigen Stelle eine Maßnahme vorgenommen wird, die offensichtlich darauf abzielt, gegen jemanden mittels eines Straf- oder Bußgeldverfahrens vorzugehen),
c) ein Amtsträger zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit oder zu einer Nachschau nach steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist (ein Erscheinen wird angenommen, wenn der Amtsträger einem Verdacht nachgeht und, um diesen zu überprüfen, das Grundstück des Steuerpflichtigen betritt),
d) eine Steuerstraftat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste bzw. hätte wissen müssen,
e) die nach § 370 I AO verkürzte Steuer oder der ungerechtfertigt erlangte Steuervorteil 25.000 Euro je Tat übersteigt,
f) ein besonders schwerer Fall nach § 370 III vorliegt.
In all diesen Fällen scheidet eine Straffreiheit des Anzeigenerstatters aus!
Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten bzw. Steuervorteile erlangt, so tritt Straffreiheit zudem nur ein, wenn die hinterzogenen Steuern innerhalb einer angemessenen Frist entrichtet werden, § 371 III AO!
Auch für die leichtfertige Steuerhinterziehung, § 378 AO, existiert die Möglichkeit einer Selbstanzeige, wenn die Angaben berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden, bevor die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben worden ist.
Strafverteidigung beim Tatvorwurf der Steuerhinterziehung
Wird der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben, sollte umgehend ein erfahrener Strafverteidiger kontaktiert werden. Das Steuerstrafrecht stellt extrem komplexes Gebiet dar und ist für den Steuerpflichtigen i.d.R. nur schwer zu durchschauen. Mit Fachanwalt für Strafrecht Patrick Schmidt steht Ihnen ein kompetenter und erfahrener Strafverteidiger sowohl für Steuerstrafrecht als auch für Wirtschaftsrecht zur Verfügung.
Einen ersten Anknüpfungspunkt für die Verteidigung bildet die Frage, ob überhaupt ein Steuerhinterziehungstatbestand erfüllt wurde und wenn ja, ob der Täter vorsätzlich (dann § 370 AO, s.o.) oder bloß leichtfertig (dann § 378 AO, s.o.) gehandelt hat.
Denn handelte der Täter bloß leichtfertig (grob fahrlässig) hinsichtlich der Steuerhinterziehung, so liegt nur eine Ordnungswidrigkeit vor, die lediglich mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Eine Freiheitsstrafe darf hier, anders als bei vorsätzlichem Handeln, natürlich nicht verhängt werden! Der Verteidiger wird sich mit dem Tatvorwurf genau auseinandersetzen und auf eine, für den Mandanten günstigere, leichtfertige Begehung plädieren, indem er z.B. mit einer steuerlichen Unerfahrenheit des Mandanten argumentiert. Oft lässt sich dann nicht aufklären, ob der Täter bedingt vorsätzlich oder doch nur grob fahrlässig agierte (die Übergänge sind hier sehr fließend), weshalb mit einer guten Argumentation der Vorwurf doch eher in Richtung Fahrlässigkeit gelenkt werden kann. Auch berät der Verteidiger sich mit dem Mandanten über die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige und gibt ihm Hilfestellungen bzgl. der Umsetzung dieser Anzeige. Ein zu langes Warten ist allerdings nicht ratsam, denn sonst läuft man Gefahr, dass die Tat eventuell vor der Anzeigenerstattung aufgedeckt wird und so der Weg in die Straffreiheit versperrt wird! Der Verteidiger wird den Mandanten umfassend über seine Möglichkeiten informieren, um durch eine gute Verteidigung sowie frühzeitige Chancennutzung das beste Ergebnis für ihn zu erzielen.
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